Hannes Wader - Dioxin

Meine Frau und ich, wir beide sind vom Kokain
abgekommen, und wir sind seit Monaten schon clean.
Wir leben jetzt gesund, ziehn zuhaus auf dem Balkon
statt Geranien und Primeln die Salate der Saison.
Die Blumenerde stammt, und kein Mensch hat uns gewarnt,
von einer Giftmülldeponie, als Safari-Park getarnt.

Refr.:
Oh, Herr Doktor, was sagen Sie dazu?

Der Arzt hat uns beruhigt und er meinte, Dioxin
sei, in kleinen Dosen eingenommen, reine Medizin.
Seitdem essen wir den Salat mit einem kleinen Schuß
Formaldehyd und trinken dazu Agent-Orange-Juice.
Inzwischen bin ich Vater, ich weiß nicht mal richtig, wie.
Das Kind wiegt nur ein Kilo, kam vier Monate zu früh.


Oh, Herr Doktor, was sagen Sie dazu?

Das Kleine ist geboren ohne Ohren, ohne Mund,
ohne Beine und Arme, aber sonst ist es gesund.
Ob's ein Junge oder Mädchen wird, das kriegen wir noch raus.
Der Doktor meint, vielleicht wächst sich das mit der Zeit noch aus.
Schuld ist nicht das Dioxin, sagt er, und ich glaub's ihm gern,
schließlich ist er Gutachter bei einem Pharmaziekonzern.


Oh, Herr Doktor, was sagen Sie dazu?

Weil meine Frau dem Kind ihre Brust nicht geben kann,
fragt sie sich, was fang ich mit der Muttermilch jetzt an?
Hat ihren Nagellackentferner durch die Milch ersetzt
und sich die Fingerkuppen samt den Nägeln weggeätzt.
Hält sich von offnem Feuer fern und läßt mich nicht mehr ran,
weil ihre Brust schon bei Berührung explodieren kann.

Oh, Herr Doktor, was sagen Sie dazu?

Dem Kleinen geht es gut. Morgens sitzt es auf dem Topf,
schnüffelt Klebemittel mit 'ner Plastiktüte überm Kopf.
Sieht mittags fern, erlebt das Programm als heile Welt,
weil es den Bundeskanzler für die Biene Maja hält.
Abends bind ich es, damit es besser schlafen kann, auf der

Waschmaschine fest
und stell die Wäscheschleuder an.

Oh, Herr Doktor, was sägen Sie dazu?


Bald spielt unser Kind, meine Frau und ich sind froh,
die Hauptrolle in einem neuen Zombie-Video.
Was heißt Verbot von Kinderarbeit - störn wir uns nicht dran,
das wird abgeschafft, die Regierung tut da, was sie kann.
Das Geld, das unser Kind verdient, das macht uns alle satt.
Soll noch einer sagen, daß die Jugend keine Zukunft hat.

Oh, Herr Doktor, was sagen Sie dazu?